Der Obstbau in Linz anno 1953

Dank der Recherche der Initiative Innenhofgrün können wir euch interessante Daten zum Linzer Obstbau von 1957 präsentieren.

Das Statistischen Jahrbuch der Stadt Linz aus dem Jahr 1953 erwähnt, dass der Obstbaumbestand um die Hälfte größer war als bei der letzten Zählung 1947, jedoch um 10% niedriger als bei der letzten Zählung vor dem Krieg 1938. Als Hauptgründe werden die Zerbombung von etwa 70% des Baumbestandes 1945 und die Einwirkung des Borkenkäfers 1946 angegeben. Hier die genauen Ergebnisse der Obstbaumzählung von 1953:

Linz hat einen Bestand von 176 000 Obstbäumen. Der größte Teil davon, rund drei Fünftel, steht in Hausgärten, an denen Linz sehr reich ist. Von 11 000 Wohngebäuden hatten 6 000 Hausgärten mit Obstbäumen. Selbst im Stadtkern gibt es viele Häuser mit großen Hofgärten und Obstbäumen. Am Stadtrand sind Obstbäume im Hausgarten eine Selbstverständlichkeit. Ein Fünftel der Obstbäume befindet sich ferner in Schrebergärten. Das letzte Fünftel gehört zu landwirtschaftlichen Betrieben.

Hinsichtlich der Arten steht das Kernobst an der Spitze mit 64 270 Apfel- und 43 846 Birnbäumen. Bei Steinobst dominieren Zwetschkenbäume (24998), Marillenbäume (12314) und Pflaumenbäume (10012), während Pfirsichbäume (7821), Kirschbäume (7831) und Weichselbäume (2 122) in den Hintergrund treten. Auch Nußbäume gibt es in Linz (3 102), jedoch mehr am Stadtrand und sehr selten in Schrebergärten.

Überwacht wurden die Obstbäume vom städtischen Obstbaumwart:

Jahreszeitlich, dem Auftreten der Schädlinge entsprechend, werden laufend stichprobenweise Kontrollen in den Privatgärten durch den städtischen Obstbaumwart vorgenommen. Hiebei werden säumige Besitzer beanstandet. Bei schlechtem Kulturzustand — wodurch die Gefahr einer weiteren Verseuchung durch Borkenkäfer, Schildläuse usw. besteht — werden Pflege- und Bekämpfungsmaßnahmen angeordnet.

Streuobstwiesen – Artenreicher Lebensraum aus Menschenhand

Dieser Gastbeitrag samt Fotos ist von Julia Kropfberger vom Naturschutzbund OÖ (Facebook). Er entstand auf Anregung von Linz Pflückt – unter anderem um den Anspruch der Linzer Obstbaumgärten genauer zu erläutern – und erzählt von der Artenvielfalt von Streuobstwiesen.

Der Begriff Streuobstwiese bezeichnet eine traditionelle Form des Obstbaus, bei der halb- bis hochstämmige Obstbäume verschiedener Alters- und Größenklassen – mehr oder weniger verstreut – auf einer Wiese stehen. Charakteristisch für Streuobstwiesen ist auch der Artenreichtum an Obstbäumen: Bunt gemischt gedeihen hier Apfel- und Birnbäume neben Kirschen-, Zwetschken-, Walnuss- und Mispelbäumen, jeweils in regionaltypischen Sorten. Der Unterwuchs wird meist als Mähwiese oder Viehweide genutzt.

Streuobstwiese_Fruhling_Foto_J_Kropfberger

Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas – unter der Voraussetzung, dass die Nutzung der Streuobstwiese extensiv und ohne Einsatz von Pestiziden erfolgt. Durch die Kombination von Wiese und Baum finden verschiedensten Pflanzen- und Tierarten ein besonders großes Spektrum an unterschiedlichsten Lebensräumen.

Vor allem das reiche Nahrungsangebot lockt das ganze Jahr viele Tiere in die Streuobstwiese: Im Frühjahr übt die Obstblüte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Wildbienen und andere Insekten aus. Danach bieten die Wiesenpflanzen und die austreibenden Blätter der Bäume genügend Nahrung für Vegetarier.
Später im Jahr locken die heranreifenden Früchte nicht nur Wespen und Schmetterlinge mit ihrem süßen Duft an.
Das üppige Vorkommen von Kleinlebewesen und pflanzlicher Nahrung ist Grundlage für eine große Lebensgemeinschaft verschiedener Wirbeltiere: viele verschiedene Vogelarten wie Grünspecht und Wendehals, aber auch Igel, Feldhase und andere Säugetiere finden hier einen Lebensraum.
Selbst das abgestorbene Holz der Bäume steht auf dem Speiseplan von Totholz-Spezialisten wie dem Juchtenkäfer.
Im Winter bessern viele Vögel wie Wacholderdrossel oder Seidenschwanz das karge Futterangebot durch den einen oder anderen am Baum verbliebenen Apfel auf.

Von der Wurzel bis zur Baumkrone beherbergen Obstbäume Lebensstätten für verschiedenste Lebewesen: Asseln, Milben, Fadenwürmer und Springschwänze fühlen sich auf und unter der Obstbaumrinde wohl. Flechten und Moose siedeln sich am Stamm an. Im Geäst bauen Vögel ihre Nester. Die Baumhöhlen alter Obstbäume sind Brutplatz für Steinkauz, Gartenrotschwanz und Wiedehopf – wenn sie nicht schon von Hornissen, Fledermäusen oder dem Siebenschläfer besetzt sind. Die mächtigen Kronen der Bäume werden als Singwarten oder als Ansitzplätze für die Jagd benutzt.

Streuobstwiese_Foto_J_Kropfberger

Neben der ökologischen Funktion erfüllen Streuobstwiesen weitere wichtige Aufgaben: Streuobstwiesen gliedern die Kulturlandschaft, prägen und verschönern das Landschaftsbild und steigern dadurch den Erlebnis- und Erholungswert für uns Menschen.
Sie bremsen den Wind, produzieren Frischluft und wirken ausgleichend auf das Kleinklima. Ihre Wurzeln verhindern die Bodenerosion und spielen daher insbesondere auf Hanglagen eine wichtige Rolle. Der Unterwuchs vermindert die Auswaschung von Nährstoffen in tiefere Bodenschichten. Daher dienen vor allem extensiv bewirtschaftete Streuobstbestände dem Grundwasserschutz.

Nicht zuletzt liefern sie Futter in Form von Gras und Heu für die Haustiere und gesundes, vitaminreiches Obst für den Menschen.

Beeindruckend ist die große Vielfalt der Obstarten (Apfel, Birnen, Kirschen, Walnuss, Zwetschken, Eberesche, Mispel, Haselnuss usw.) und -sorten, welche man in Streuobstwiesen finden kann. Die geschätzte Zahl an Kultivare – Sorten/ Formen/Sippen – in Österreich liegt bei: Äpfel 400-500; Birnen 100-150; Kirschen 40-50; Weichsel 20-30, Zwetschke 100-150. Streuobstwiesen sind daher auch eine wichtige Genreserve für die Pflanzenzucht.

Die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen ist durch den hohen Aufwand bei Pflege und Ernte oft zeit- und arbeitsintensiv, kann aber durch den Einsatz, zum Beispiel von Obstsammelmaschinen, bis zu einem gewissen Grad rationalisiert werden.
Die Mühe lohnt sich alle Mal. Das geerntete Obst kann vom Menschen auf vielfältige Weise genützt werden: zur Herstellung von Säften und Most, zum Brennen von Schnäpsen, als Dörrobst, zur Herstellung von Marmelade, Mus, Kompott, Essig oder als Tafelobst.

Durch veränderte Anbaumethoden im Inland und Billigimport von Obst für die Fruchtsafterzeugung aus dem Ausland sowie dem Mehr an Arbeit bei Pflege und Ernte, die mit dem Streuobstwiesenbau verbunden ist, ist dieser Lebensraum bei uns heute stark gefährdet – und mit ihm zahlreiche, typische Streuobstwiesenbewohner wie Steinkauz, Wendehals und Wiedehopf.
Der Rückgang der Streuobstwiesenflächen in Mitteleuropa zwischen 1965 und 2000 wird auf ca. 70 % geschätzt! Die verbliebenen Bestände sind oftmals vergreist und lückig, da absterbende Bäume nicht mehr ersetzt werden. Bestehende Obstwiesen werden oft kaum gepflegt. Vor allem Streuobstwiesen im Randbereich von Dörfern fallen der Siedlungstätigkeit zum Opfer.

Durch Erhalt von Streuobstwiesen und Neupflanzung von regionaltypischen Obstbaum-Sorten, aber auch durch den Kauf von regionalen Streuobstwiesen-Produkten kann man diesen einmaligen Lebensraum samt seiner Bewohner schützen.