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Wenn Bäume zu Commons werden

Gastbeitrag von der Commons-Aktivistin Brigitte Kratzwald für Linz Pflückt. Frau Kratzwald betreibt einen Blog und schrieb ihm im Commons Buch der Heinrich Böll Stiftung den Artikel „Commons und das Öffentliche“.

Linz. Als ich ein Kind war, stand das für Schwerindustrie und war der Inbegriff für die Erfolge der österreichischen Nachkriegswirtschaft. Wenig später dann, als saurer Regen, Waldsterben und Atemwegserkrankungen die Grenzen dieses Erfolgsmodells aufzeigten, wurde es zum Synonym für schlechte Luft und Umweltverschmutzung, ähnlich dem Ruhrgebiet in Deutschland. Linz hat den Strukturwandel geschafft, von der Stahlstadt zur Stadt der Elektronikindustrie, zur Stadt der Forschung, Innovation und Kunst und der gelungenen Symbiose dieser Elemente in der ars electronica. Seit wenigen Jahren geht Linz wieder einmal neue Wege, es bezeichnet sich als „Open Commons Region“.

Im ersten Schritt ging es darum, Daten und Wissen frei zugänglich zu machen und die BürgerInnen zu motivieren, diese auch zu nutzen und selbst damit zu arbeiten. Die Teilhabe am freien Wissen wurde gefördert durch freien Internetzugang und freien Webspace für Alle und die Verwendung von Open Source Software. Heute kann man nahezu an jedem Platz der Stadt, neuerdings sogar in den Straßenbahnen, frei im Internet surfen. Die Herstellung und Verbreitung von Lehrmaterial und sonstigen Informationen unter Creative Commons Lizenzen wird mit Rat und Tat gefördert, in Zusammenarbeit mit Schulen, Universitäten und Unternehmen. Das ist schön. Doch es ist sicher erst ein Anfang. Denn Commons bedeuten viel mehr als freies Wissen.

Darum passt es gut zu einer Open Commons Region, die städtischen Grünflächen mit Obstbäumen zu bepflanzen, dabei auf Artenvielfalt zu achten und alte Sorten wieder zu entdecken. Mit der Karte der Obstbäume leistet Linz Pflückt einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Menschen der Stadt diese Obstbäume zu ihren Commons machen können, zu etwas, um das sie sich gemeinsam kümmern und das sie gemeinsam nutzen. Commons sind ein Kreislauf von geben und nehmen, zwischen den Menschen und zwischen Menschen und Ressourcen, in diesem Fall den Obstbäumen.

stadtfruchtLinz reiht sich damit in eine ständig wachsende Zahl anderer Städte ein, die ebenfalls auf den Zug der Zeit aufgesprungen sind und sich in essbare Städte verwandeln. Die Wege dazu sind durchaus unterschiedlich. Den Ausgang nahm diese Bewegung in der englischen Kleinstadt Todmorden, wo einige wenige AktivistInnen begannen in „Guerilla-Manier“ mehr und mehr Essbares zwischen die üblichen Parkpflanzen zu schmuggeln. Gar nicht so einfach am Anfang, denn das Angebot, etwas frei entnehmen zu dürfen, macht Menschen oft misstrauisch, oder sie trauen sich einfach nicht. Wir sind heute so daran gewöhnt, für alles, was wir bekommen, zahlen zu müssen, dass es uns verunsichert, wenn wir etwas einfach geschenkt bekommen. Todmorden ist inzwischen zur Vorzeigestadt geworden, ebenso wie das deutsche Städtchen Andernach. Meist sind es einige engagierte Personen, die auf aufgeschlossene GemeindepolitikerInnen treffen und solche Initiativen in die Wege leiten. So etwa die Attac Gruppe in Wiener Neustadt oder PermakulturaktivistInnen in der steirischen Gemeinde Übelbach. Andere, wie die Initiative Stadtfrucht Wien arbeiten noch daran, Unterstützung bei der Politik zu finden.

Essbare Städte stehen für viele verschiedene Aspekte gesellschaftlichen Wandels. Zum einen geht es darum, den öffentlichen Raum den Bürgerinnen und Bürgern wieder als den „ihren“ zugänglich und nutzbar zu machen. Aus diesem Prozess der gemeinsamen Nutzung und Pflege entstehen jedoch auch neue soziale Beziehungen. Menschen, die sonst kaum zusammen kommen, lernen sich kennen, altes Wissen wird wieder erweckt und ausgetauscht, es wird gemeinsam gekocht und gegessen, was dem sozialen Zusammenhalt ebenso gut tut, wie der Lebensqualität in der Stadt. Es geht um eine andere Art der „Inwertsetzung“, nicht für Investoren, die angelockt werden sollen, sondern für die Menschen, die dort wohnen. Und nicht zuletzt geht es auch um die Frage einer zukunftsfähigen Nahrungsmittelproduktion, um Resilienz durch die Rückbesinnung auf regionale und saisonale Ernährung. Das kann gelingen. wenn die Menschen nicht nur ernten, sondern die Obstgärten in dem Sinn zu ihrem machen, dass sie dort auch gemeinsam ihre Freizeit verbringen und sich gemeinsam für ihre Pflege und Erhaltung verantwortlich fühlen. Linz ist auf einem guten Weg, wir warten mit Spannung auf die weiteren Schritte der Open Commons Region!

Streuobstwiesen – Artenreicher Lebensraum aus Menschenhand

Dieser Gastbeitrag samt Fotos ist von Julia Kropfberger vom Naturschutzbund OÖ (Facebook). Er entstand auf Anregung von Linz Pflückt – unter anderem um den Anspruch der Linzer Obstbaumgärten genauer zu erläutern – und erzählt von der Artenvielfalt von Streuobstwiesen.

Der Begriff Streuobstwiese bezeichnet eine traditionelle Form des Obstbaus, bei der halb- bis hochstämmige Obstbäume verschiedener Alters- und Größenklassen – mehr oder weniger verstreut – auf einer Wiese stehen. Charakteristisch für Streuobstwiesen ist auch der Artenreichtum an Obstbäumen: Bunt gemischt gedeihen hier Apfel- und Birnbäume neben Kirschen-, Zwetschken-, Walnuss- und Mispelbäumen, jeweils in regionaltypischen Sorten. Der Unterwuchs wird meist als Mähwiese oder Viehweide genutzt.

Streuobstwiese_Fruhling_Foto_J_Kropfberger

Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas – unter der Voraussetzung, dass die Nutzung der Streuobstwiese extensiv und ohne Einsatz von Pestiziden erfolgt. Durch die Kombination von Wiese und Baum finden verschiedensten Pflanzen- und Tierarten ein besonders großes Spektrum an unterschiedlichsten Lebensräumen.

Vor allem das reiche Nahrungsangebot lockt das ganze Jahr viele Tiere in die Streuobstwiese: Im Frühjahr übt die Obstblüte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Wildbienen und andere Insekten aus. Danach bieten die Wiesenpflanzen und die austreibenden Blätter der Bäume genügend Nahrung für Vegetarier.
Später im Jahr locken die heranreifenden Früchte nicht nur Wespen und Schmetterlinge mit ihrem süßen Duft an.
Das üppige Vorkommen von Kleinlebewesen und pflanzlicher Nahrung ist Grundlage für eine große Lebensgemeinschaft verschiedener Wirbeltiere: viele verschiedene Vogelarten wie Grünspecht und Wendehals, aber auch Igel, Feldhase und andere Säugetiere finden hier einen Lebensraum.
Selbst das abgestorbene Holz der Bäume steht auf dem Speiseplan von Totholz-Spezialisten wie dem Juchtenkäfer.
Im Winter bessern viele Vögel wie Wacholderdrossel oder Seidenschwanz das karge Futterangebot durch den einen oder anderen am Baum verbliebenen Apfel auf.

Von der Wurzel bis zur Baumkrone beherbergen Obstbäume Lebensstätten für verschiedenste Lebewesen: Asseln, Milben, Fadenwürmer und Springschwänze fühlen sich auf und unter der Obstbaumrinde wohl. Flechten und Moose siedeln sich am Stamm an. Im Geäst bauen Vögel ihre Nester. Die Baumhöhlen alter Obstbäume sind Brutplatz für Steinkauz, Gartenrotschwanz und Wiedehopf – wenn sie nicht schon von Hornissen, Fledermäusen oder dem Siebenschläfer besetzt sind. Die mächtigen Kronen der Bäume werden als Singwarten oder als Ansitzplätze für die Jagd benutzt.

Streuobstwiese_Foto_J_Kropfberger

Neben der ökologischen Funktion erfüllen Streuobstwiesen weitere wichtige Aufgaben: Streuobstwiesen gliedern die Kulturlandschaft, prägen und verschönern das Landschaftsbild und steigern dadurch den Erlebnis- und Erholungswert für uns Menschen.
Sie bremsen den Wind, produzieren Frischluft und wirken ausgleichend auf das Kleinklima. Ihre Wurzeln verhindern die Bodenerosion und spielen daher insbesondere auf Hanglagen eine wichtige Rolle. Der Unterwuchs vermindert die Auswaschung von Nährstoffen in tiefere Bodenschichten. Daher dienen vor allem extensiv bewirtschaftete Streuobstbestände dem Grundwasserschutz.

Nicht zuletzt liefern sie Futter in Form von Gras und Heu für die Haustiere und gesundes, vitaminreiches Obst für den Menschen.

Beeindruckend ist die große Vielfalt der Obstarten (Apfel, Birnen, Kirschen, Walnuss, Zwetschken, Eberesche, Mispel, Haselnuss usw.) und -sorten, welche man in Streuobstwiesen finden kann. Die geschätzte Zahl an Kultivare – Sorten/ Formen/Sippen – in Österreich liegt bei: Äpfel 400-500; Birnen 100-150; Kirschen 40-50; Weichsel 20-30, Zwetschke 100-150. Streuobstwiesen sind daher auch eine wichtige Genreserve für die Pflanzenzucht.

Die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen ist durch den hohen Aufwand bei Pflege und Ernte oft zeit- und arbeitsintensiv, kann aber durch den Einsatz, zum Beispiel von Obstsammelmaschinen, bis zu einem gewissen Grad rationalisiert werden.
Die Mühe lohnt sich alle Mal. Das geerntete Obst kann vom Menschen auf vielfältige Weise genützt werden: zur Herstellung von Säften und Most, zum Brennen von Schnäpsen, als Dörrobst, zur Herstellung von Marmelade, Mus, Kompott, Essig oder als Tafelobst.

Durch veränderte Anbaumethoden im Inland und Billigimport von Obst für die Fruchtsafterzeugung aus dem Ausland sowie dem Mehr an Arbeit bei Pflege und Ernte, die mit dem Streuobstwiesenbau verbunden ist, ist dieser Lebensraum bei uns heute stark gefährdet – und mit ihm zahlreiche, typische Streuobstwiesenbewohner wie Steinkauz, Wendehals und Wiedehopf.
Der Rückgang der Streuobstwiesenflächen in Mitteleuropa zwischen 1965 und 2000 wird auf ca. 70 % geschätzt! Die verbliebenen Bestände sind oftmals vergreist und lückig, da absterbende Bäume nicht mehr ersetzt werden. Bestehende Obstwiesen werden oft kaum gepflegt. Vor allem Streuobstwiesen im Randbereich von Dörfern fallen der Siedlungstätigkeit zum Opfer.

Durch Erhalt von Streuobstwiesen und Neupflanzung von regionaltypischen Obstbaum-Sorten, aber auch durch den Kauf von regionalen Streuobstwiesen-Produkten kann man diesen einmaligen Lebensraum samt seiner Bewohner schützen.

Recht auf Marmelade!

recht-auf-marmelade1Seid August sammelt die Künstlerinnengruppe Kuserutzky Klan gemeinsam mit der Initiative Stadtfrucht Wien Unterschriften für eine Petition für Obstbaum-Commons in Wien. Die Petition unter dem Titel Recht auf Marmelade richtet sich an die Stadt Wien und hat das Ziel, mehr und auch seltene Obstbäume in die Stadt zu bringen.

Laut diesem Bericht des Standards hat das Projekt aber nicht nur eine kulinarische Bedeutung. Der Initiator der Petition Peter Krobath erklärt: „Der Titel ist ein direkter Verweis auf die ‚Recht auf Stadt‘-Bewegung, die ein neues Verständnis von Urbanität hat und einfordert.“ Die Bäume sollen Urban Commons sein, also städtische Gemeingüter, die allen frei zur Verfügung stehen und gemeinschaftlich genutzt werden. „Dabei geht es darum, die Verwertung von Ressourcen nicht über Profitstreben zu organisieren.“

Die Forderungen im Einzelnen:
1. Zehn Prozent der vom Wiener Stadtgartenamt auf öffentlichen Flächen gepflanzten Bäume sollen Obstbäume sein (zum Großteil seltene Sorten), zehn Prozent der Sträucher sollen Fruchtsträucher sein.

Im Vergleich dazu die Daten der Stadt Linz. Insgesamt scheinen im Baumkataster 18513 Bäume auf, davon haben wir 2095 als Obstbäume identifiziert und als Basis für Linz Pflückt verwendet. Das heißt, dass in Linz über 11 Prozent der öffentlichen Bäume Obstbäume sind, davon auch viele seltene Sorten wie zB. im Obstbaumgarten Margarethen.

2.Gruppen von Bürger_innen sollen die Möglichkeit haben, sich als Baumpat_innen um die Obstbäume in ihrer Nähe selbst zu kümmern.

Diese Aufgabe kommt in Linz alleinig den Stadtgärten zu. Die Forderung ist aber sehr interessant, vor allem in Hinsicht auf ein erhöhtes Bewusstsein der Bevölkerung dass es sich bei den Obstbäumen um ein städtisches Gemeingut handelt.

3.Obstbäume sollen in Wien als Nachpflanzungen zugelassen sein.

Das Stadtgartenamt in Wien gibt verschiedenste Probleme an das vermehrte Setzen von Obstbäumen verhindern, darunter Geruchsbelästigung und Wespenplagen. Auch in Linz gab es anscheinend Beschwerden der Bevölkerung die die Stadt dazu veranlasste Obstbäume in Obstbaumgärten zu konzentrieren.

Hinweis: Um die Initiative einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, fährt am 21. September im Rahmen der WienWoche 2013 eine JAM-TRAM durch die Wiener Innenstadt.

Ein Profil für jede/n PflückerIn

fruittreesMittlerweile haben wir über 100 eingeschriebene BenutzerInnen die in den letzte Monaten an die 100 Kommentare und fast ebenso viele Fotos auf Linz Pflückt publizierten. Als Dank gibt’s jetzt eine persönliche Profilseite für jede/n PflückerIn wo ihr Infos von Euch wie ein Foto, eine Webseite und eine Kurzbiografie veröffentlichen könnt. Außerdem werden auf dieser Seite Eure Aktivitäten auf Linz Pflückt festgehalten um Übersicht über publizierte Kommentare und Fotos zu behalten.

Die persönlichen Profilseiten sind von der Community-Seite verlink, ihr könnt sie aber auch direkt über eine URL wie etwa http://linz.pflueckt.at/author/gerald erreichen, wobei ihr gerald einfach durch euren Benutzernamen austauscht.

Die Erntezeit hat begonnen! Wir hoffen auf eine rege Annahme des Gemeinguts Obst in Linz und freuen uns über Hinweise zur Verbesserung der Seite hier in den Kommentaren.

Diese Woche in Ö1: Rote Landlbirne und Fasslapfel

Der Agrarbiologe Siegfried Bernkopf erzählt diese Woche um 8:55 Uhr in der Sendereihe Vom Leben der Natur über Kernobstsorten, die zu Obstmost verarbeitet werden. Im ersten von vier Teilen geht es um die große Vielfalt in Oberösterreich.

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Hier der Link zum Nachhören – 7 Tage lang.

Wer kennt öffentliche Bäume in Linz mit Obstsorten, die Herr Bernkopf erwähnt (z.B. einen Schlotterapfel) und kommentiert diese Bäume auf Linz Pflückt?

Obst für alle auf OE1

Andrea Hauer gestaltete am 23. Juli für die OE1-Sendereihe „Moment – Leben heute“ zwei Beiträge zum Thema Obst für alle. Der erste Beitrag berichtet über die Initiative Obststadt Wiener Neustadt, im Anschluss geht es um die 2000 Obstbäume der Stadt Linz.

Hier der Beitrag zum Nachhören in dem auch Linz Pflückt genannt wir:

 

Jetzt mit Obstbaumgärten

margarethenwegWie wir in letzter Zeit schon öfters hier im Blog berichtet haben, betreut die Stadt Linz fünf Obstbaumgärten im Linzer Stadtgebiet. Aus Gründen der Erhaltung der Artenvielfalt historische Obstbaumsorten wurden 1998 am Freinberg verschiedenste Obstsorten inmitten einer artenreichen Streuobstwiese gepflanzt. Seitdem entstanden weitere vier Obstbaumgärten. Dadurch leistet die Stadt Linz einen Beitrag zur Erstellung eines Genpools für Obstsorten. Und als netter Nebeneffekt dürfen die Früchte zur Reifezeit gratis gepflückt und deren Fallobst geklaubt werden.

Jetzt haben wir diese fünf Obstbaumgärten auch endlich auf unserer Karte eingetragen. Im Gegensatz zu den über 2000 schon veröffentlichten Bäumen haben wir von von diesen leider keinen Baumkataster. Da unser Projekt ohne sie aber nicht vollständig wäre, haben wir uns entschieden die fünf Flächen auf unserer Karte einzuzeichnen. An der grafischen Darstellung arbeiten wir noch.

Die Infos die wir soweit zu den einzelnen Gärten haben, sind in den jeweiligen Detailseiten abrufbar. Uns fehlen noch Bilder zum letzten angelegten Garten am Kampmüllerweg, eure Beiträge sind herzlich willkommen.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERAHier ein Überblick über die fünf existierenden Obstbaumgärten:

Das Mundräuberhandbuch

mundraubEndlich halten wir das Mundräuberhandbuch in unseren Händen und lesen über Entstehung der Idee hinter mundraub.org. Dieses großartige Projekt hatte natürlich Einfluss auf die Entstehung von Linz Pflückt. Auch wenn mundraub.org im Unterschied zu Linz Pflückt auf Crowdsourcing basiert und daher viel stärker von den Benutzern und dessen Beteiligung abhängt, zeigen beide Projekte wie digitale und natürliche Gemeingüter sich fruchtbar ergänzen können.

Die globale und einschließende Sicht auf Themen rund ums Obst des Projekts spiegelt sich auch im Mundräuberhandbuch wieder. Einerseits wird der theoretische Rahmen zu Mundraub und Obstallmende abgesteckt und an Schlagwörtern wie Arterhaltung, Kulturlandschaft und Lebensqualität aufgezeigt. Andererseits ist es natürlich vor allem ein praktisches Handbuch das Tipps zu Ernte und Verarbeitung von Obst und zu Pflanzen und Pflege von Obstbäumen gibt.

Insgesamt ein sehr gelungenes Werk für alle Obstliebhaber und Interessierte zum Thema Gemeingüter. Die Untertitel des Buches „Freies Obst für freie Bürger“ und „Tipps, Regeln und Geschichten zur Wiederentdeckung unserer Obstallmende“ beschreiben sehr gut den Inhalt des Buches. Es wurde von Kai Gildhorn, Madeleine Zahn und Katharina Frosch herausgegeben und kann auf dieser Seite von mundraub.org bestellt werden.

Im folgenden reproduzieren wir ein Kapitel des Mundräuberhandbuchs der dem Buch „Commons: Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat“ der Heinrich-Böll-Stiftung entnommen ist.

Mundraub? Allmendeobst! von Katharina Frosch

Spätsommer 2009, in einer ländlichen Gegend im Osten Deutschlands: Flirrende Hitze, der süßlich-schwere Geruch vergärenden Obstes liegt in der Luft. Ein Baum saftiger Birnen, zu seinen Füßen liegen knöchelhoch verfaulende Früchte. Nur ein Steinwurf entfernt Sträucher mit wilden Pflaumen und Mirabellen, Holunderbü­sche und ab und an ein Apfelbaum, vielleicht sogar eine alte, seltene Sorte? Eine Fülle an frischem Obst – in durchschnittlichen Jahren sind es sehr viel mehr, als Vögel, Insekten und andere Tiere als Nahrung benötigten – vergessen, verlassen, ungenutzt.

Gehört dieses Obst uns allen? Dürfen wir es ernten? Derzeit gibt es zumindest in Deutschland keine herrenlosen Bäume: Streuobstwiesen außerhalb von Sied­lungen gehören meist Privatpersonen, selbst wenn sie nicht umzäunt sind. Die kilometerlangen Obstbaumalleen, die das Landschaftsbild in den neuen Bundesländern prägen, gehören Kommunen, Land oder dem Bund, fruchtige Parkbäume den Städten. Obst zu ernten, ohne die jeweiligen Eigentümer um Erlaubnis zu fragen, kommt demnach schlicht und einfach Diebstahl gleich.

Die Fülle an in Vergessenheit geratenem Obst im öffentlichen Raum und die fehlenden Informationen über die jeweiligen Eigentumsrechte – dies zusammen kommt einem Aufruf zum Handeln gleich. Wen fragen wir, wenn wir auf einen offensichtlich in Vergessenheit geratenen, brechend vollen Obstbaum stoßen, der sich uns geradezu anbietet? Die Webplattform http://www.mundraub.org lädt dazu ein, solche Bäume auf einer interaktiven Karte einzutragen (zu »taggen«), und Standortinformationen über bereits eingetragene Bäume abzurufen, die be­erntet werden können.

Auf der Startseite rufen einige grundlegende Regeln aber auch dazu auf, Privateigentum zu respektieren und darauf zu achten, den Bäumen und der umliegenden Flora und Fauna keinen Schaden zuzufügen – kurz: sich fair zu verhalten.

Seit dem Start im Jahr 2009 haben mehr als eine halbe Million Menschen auf die Webseite zugegriffen. Mehrere Hundert arbeiten aktiv an der Online-Obstbaumkarte mit. Ungefähr 3000 Fundstellen sind bisher eingetragen. Grobgeschätzt entspricht dies 20.000 bis 30.000 Obstbäumen. Ist diese Wiederentdeckung von Allmendeobst basierend auf der Mundraub-Map ein weiteres Beispiel für Elinor Ostroms Theorie, wie Menschen gemeinschaftlich und selbstorganisiert ein Kollektivgut effektiv nutzen und dauerhaft bewahren können?

Allen Unkenrufen zum Trotz, dass nun Horden rücksichtsloser, hungriger Städter über private Obstplantagen in ländlichen Gegenden herfallen und die an­sässigen Landwirte in den Ruin treiben würden, gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass seit dem Start der Mundraub-Initiative mehr Obst gestohlen wurde oder mehr Schäden entstanden sind als gewöhnlich. Die Nutzer übernehmen intuitiv Ver­antwortung: Mehr als einmal wurde eine Fundstelle auf allgemeinen Wunsch der Nutzer aus dem Netz genommen und damit »unsichtbar« gemacht, um den Ort vor Übernutzung zu bewahren.

Viele der mehr als 150 Presseartikel über die Mundraub-Initiative titeln »Gra­tisobst für alle«. Doch die meisten Nutzer fühlen sich der Idee des Teilens und des »Crowdsourcing« (Crowdsourcing bezieht sich hier auf die kollaborative und selbstorganisierte Samm­lung und Pflege von Informationen zu Allmendeobstbäumen durch eine Vielzahl von eigen motivierten, den Plattformbetreibern weitestgehend unbekannten Akteuren auf http://www.mundraub.org) stark verbunden. Umsonst Obst zu ernten steht hinter dem Gedanken zurück, etwas beitragen zu wollen: Sie tragen Bäume ein, starten Dis­kussionen über botanische Details, verbreiten Rezepte oder alte Kulturtechniken in Verbindung mit lokalen Obstsorten weiter, und – besonders wertvoll! – sie er­ zählen wundervolle Anekdoten über die Fundstellen.

Die Informationen auf http://www.mundraub.org über die Standorte von Obst­bäumen, die Eigentumsverhältnisse und einige wenige »Benimmregeln« helfen den Mundräubern also tatsächlich, gemeinsam Verantwortung für diese Fruchtfülle zu übernehmen: selbstorganisiert, jenseits von Markt und Staat und ganz im Sinne der »Ostrom-Schule«.

Ein langer Weg liegt aber noch vor uns, um diese wiederentdeckte Allmende zu erhalten. So brauchen Obstbäume regelmäßig fachkundige Pflegeschnitte, mit­ unter auch Nachpflanzungen. Doch der erste Schritt ist getan.

Katharina Frosch (Deutschland) ist Ökonomin und arbeitet zu sozialer Innovation in der urbanen Landwirtschaft. Sie ist Mitbegründerin von http://stadtgarten.org sowie http://mundraub.org (vom Rat für Nachhaltige Entwicklung mit dem Nachhaltigkeitspreis 2009 ausgezeichnet).

aus: Silke Helfrich und Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.), Commons: Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat, Bielefeld: Transscript Verlag. S. 273-274. Das Buch kann als PDF hier downgeloaded werden.

Obstbaumgärten als „Bewusstseinsbildung für eine wertvolle Grundlage unserer Ernährung“

Dieser Artikel wurde von Dipl.-Ingin Barbara Veitl speziell für Linz Pflückt verfasst. Sie ist Leiterin der Stadtgärten Linz und gibt in diesem Beitrag einen persönlichen Einblick in die Geschichte und den Anspruch der Linzer Obstbaumgärten.

Obstbaumgarten Margarethen am Freinberg

Blick auf den Obstbaumgarten Margarethen am Freinberg

In den 90-iger Jahren hatte die Naturkundliche Station die Idee aus Gründen der Erhaltung der Artenvielfalt historische Obstbaumsorten zu pflanzen. Einige Jahre vergingen doch im Jahr 1998 fanden die Stadtgärten eine passende Fläche am Freinberg und der erste Linzer Obstbaumgarten entstand.
Er enthält auf einer Fläche von ca. 7.700 m² Apfel, Birne, Kirsche, Quitte, Maulbeerbaum und Wildobstgehölze inmitten einer artenreichen Streuobstwiese.

Wieder vergingen einige Jahre doch die Idee der Obstbaumgärten wurde in den Stadtgärten nicht vergessen sondern weiter verfolgt. Wir wollten alte Obstsorten für die Zukunft erhalten und sie auch der Bevölkerung nahe bringen.

Liste aller Sorten im Obstbaumgarten Margarethen am Freinberg.

Liste aller Sorten im Obstbaumgarten Margarethen am Freinberg.

Obstbäume und Obststräucher haben wir immer schon gepflanzt, aber hauptsächlich in Kindergärten und Schulen, denn wir meinen dass Obstgehölze ein wesentliches Element der Gartenkultur sind, das einfach zum vollständigen Spektrum auch der städtischen Gärten gehört. Auch viele Nussbäume wurden in die Linzer Parks integriert und die Nüsse werden gerne gesammelt.
Doch nicht immer waren Obstbäume willkommen, oft wurde der Wunsch geäußert sie wieder weg zu schneiden da sie Dreck machten.

So sind wir auf die Idee gekommen sie nicht einzeln in den Parks zu integrieren, da wir oft mit ansehen mussten wie dort schönes reifes Obst ungenutzt am Boden lag.
In eigenen Obstbaumgärten, an passenden Stellen so meinten wir würden sich solche Beschwerden nicht ergeben und wir hofften dass sich Menschen finden würden die das Angebot schätzten.

Denn auch der Obstbaum, ein Element der Gartenkultur mit langen historischen Wurzeln – manche Sorten sind ja Jahrhunderte alt – lebt nur weiter wenn seine Früchte von den Menschen geschätzt und angenommen werden.

Auch mir persönlich war es ein Anliegen Obstbaumgärten zu schaffen.

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Tafel des Obstbaumgarten Hummelhofwald

 

2007 war es wieder soweit, der Obstbaumgarten Hummelhofwald konnte auf einer Wiese im Park nahe dem Eingang Kefergutstraße gesetzt werden. Eine Klasse der Dr.-Ernst-Kore-Schule feierte mit uns die Eröffnung. Der Obstbaumgarten Hummelhofwald ist nur klein, auf einer Fläche von 1.500 m² wurden 11 Apfelbäume gesetzt. Doch besser klein als gar nichts. Später kam noch ein Maulbeerbaum dazu.

Noch kleiner war der im Folgejahr angelegte Obstbaumgarten Feuerwache Nord: auf 450 m² pflanzten wir 9 Apfelbäume und eine Zwetschke.

Update 2018: Der im Jahr 2008 angelegte Obstbaumgarten Feuerwache Nord ist NICHT mehr öffentlich zugänglich.

2009 folgte ganz in der Nähe der Obstbaumgarten Biesenfeld auf 1.000 m² mit 12 historischen Apfelsorten.

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Tafel Obstbaumgarten Biesenfeld

2013 wurde auf 11.000 m² der bisher größte Obstbaumgarten am Kampmüllerweg begründet, diesmal mit Schwerpunkt auf Steinobst – 55 Bäume – und viele Wildobstarten.

Alle Obstbaumgärten sind öffentlich ganzjährig zugänglich. Eine Tafel am Eingang gibt Aufschluss über die dort vorhandenen Obstsorten. Die Bäume selbst sind mit Etiketten gekennzeichnet.

Der Obstbaumgarten Freinberg steht schon im Ertrag. Bei den anderen muss man noch ein paar Jahre Geduld haben.

Ein Apfelbaum lebt etwa 100 Jahre. Die alten Sorten sind robust und gut an unser Klima angepasst. Sie brauchen wenig Pflege, erhalten aber von unseren GärtnerInnen einen Erziehungs- und Aufbauschnitt. Sonst wachsen sie von selbst.
In den vielen Sorten ist ein großer Genpool enthalten. Das könnte interessant und wertvoll werden wenn sich Klimabedingungen ändern, denn je größer die Vielfalt umso leichter die Anpassungsmöglichkeit.

Was möchten wir mit den Obstbaumgärten noch erreichen?
Für die Menschen, dass sie die Vielfalt des Obstes das bei uns wächst im natürlichen Umfeld kennen lernen können. Bewusstseinsbildung für eine wertvolle Grundlage unserer Ernährung
Kostenloses Ernteerlebnis (in Haushaltsmengen) von natürlich gewachsenem Obst frisch vom Baum. Erlebnis der unterschiedlichen Aromen, keine Sorte schmeckt gleich wie die andere, jeder findet sein Lieblingsobst.

Für Flora und Fauna: Futterquelle für Insekten, Vögel, Kleinsäugetiere, Standort von natürlichen Blumenwiesen als Lebensraum.
Nicht zuletzt dienen die Obstbaumgärten der Ausbildung unserer Nachwuchsgärtnerinnen und Gärtner.

Jetzt mit Suche

Wir haben soeben eine neue Funktion auf Linz Pflückt freigeschaltet: Es ist eine Tabellenansicht aller 2095 Linzer Obstbäume und ist über den Menüpunkt Suche erreichbar.

Die Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Baumdaten wie Botanischer Name, Sorte und Kategorie. Außerdem zeigt sie von den PflückerInnen beigefügten Informationen wie Bewertung und Anzahl der Kommentare und Fotos. Alle Spalten können durch einen Klick auf die Spaltenüberschrift sortiert werden.

Ein Textfeld ermöglicht eine Suche über alle Daten und filtert die Ansicht dynamisch.